Sind Depressionen vererbbar? Ursachen, Symptome und Behandlung

Eine ältere Dame umarmt eine traurige Frau. Depressionen sind vererbbar.
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Veröffentlicht: 01/09/2025
Zuletzt aktualisiert: 02/09/2025

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Depressionen gehören weltweit zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und können jede Person treffen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Lebensstil. Immer wieder taucht die Frage auf: Sind Depressionen vererbbar? Gibt es eine genetische Ursache, oder liegen die Gründe eher in den äußeren Einflüssen? Wir schauen uns hier die wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse an, zeigen, wie Gene und Umwelteinflüsse zusammenspielen und was das für Betroffene bedeutet.

Was ist eine Depression und wer ist betroffen?

Depressionen sind komplexe Erkrankungen, die das Denken, Fühlen und Handeln stark beeinträchtigen können. Oft äußern sie sich in anhaltender Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen und Konzentrationsproblemen. Neben diesen emotionalen Anzeichen treten oft körperliche Ursachen wie Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme und Erschöpfung auf. An der Entstehung von Depressionen sind verschiedene Faktoren beteiligt. Neben Vererbung über die DNA und Lebenserfahrungen können auch andere Auslöser eine Rolle spielen.

In Deutschland sind laut einer Studie der Deutschen Depressionshilfe und Suizidprävention rund 24 Prozent der Bevölkerung von einer Depression betroffen. Die Virginia Commonwealth University fand zudem heraus, dass das Risiko zu erkranken für Frauen mit 42 Prozent höher ist als für Männer, bei denen das Risiko 29 Prozent beträgt. Es wird vermutet, dass der Menstruationszyklus und die hormonellen Schwankungen in Verbindung mit den Genen Einfluss auf das Depressionsrisiko haben könnten.

Welche Rolle spielt die Familie bei der Vererbung von Depressionen?​

Die Forschung bestätigt, dass Depressionen teilweise erblich sind. Dazu gehört die Studie Schwere Depressionen bei Eltern und das Risiko von Depressionen und anderen psychischen Störungen bei den Nachkommen. Wer enge Verwandte wie Großeltern, Eltern oder Geschwister mit einer Depression hat, trägt ein deutlich erhöhtes Risiko, selbst depressiv zu werden. In manchen Untersuchungen wird angenommen, dass die Gene etwa 40 Prozent des Erkrankungsrisikos ausmachen.

Zwillingsstudien zeigen, dass etwa die Hälfte der eineiigen Zwillinge eine Depression entwickelt, wenn der Zwilling betroffen ist. Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse der Studie Major Depression and Genetics im Überblick:

Familienmitglied mit Depression Geschätztes Erkrankungsrisiko 
Kein naher Verwandter10 bis 15 %
Ein Elternteil 20 bis 30 %
Beide Eltern 40 bis 50 %
Eineiiger Zwilling40 bis 50 %
Geschwister Etwa 20 bis 30 %

Allerdings bedeutet eine familiäre Vorbelastung nicht, dass eine Depression unvermeidbar ist. Viele Menschen erkranken ohne genetische Veranlagung, andere entwickeln niemals Symptome, obwohl sie laut DNA-Analyse vorbelastet sind. Zwar erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken, wenn Eltern die Veranlagung vererben​, die Gene bestimmen allerdings nicht die Zukunft der Kinder.

Was ist der Forschungsstand zur Vererbbarkeit von Depressionen?

Es gibt kein einzelnes „Depressionsgen“. Neben der Vererbung wirken sich auch Faktoren wie die Umwelt, Stress, soziale Beziehungen und die individuelle Resilienz auf die Entwicklung der Erkrankung aus.  Die kürzlich durchgeführte globale Studie Trans-ancestry genome-wide study of depression wurde mit mehr als fünf Millionen Menschen durchgeführt und identifizierte fast 700 genetische Variationen, die mit Depressionen in Verbindung stehen.

Ein Gen, das häufig aufgrund seiner möglichen Rolle bei Depressionen untersucht wird, ist der Serotonintransporter SLC6A4. Es hilft bei der Regulierung des Botenstoffs Serotonin, einem wichtigen Neurotransmitter im Gehirn, der die Stimmung beeinflusst. Einige Studien bringen SLC6A4-Variationen mit einer höheren Stressempfindlichkeit und einem höheren Depressionsrisiko in Verbindung. Spätere Untersuchungen zeigten allerdings gemischte, inkonsistente Ergebnisse. Die meisten Forschenden sind sich heute einig, dass Gene zwar die Anfälligkeit für Depressionen erhöhen, aber oft die Lebenserfahrungen darüber entscheiden, ob eine depressive Erkrankung entsteht.

Welche Ursachen gibt es für eine Depression?

Die Gründe dafür, dass manche Menschen an einer Depression erkranken, sind vielfältig und eng miteinander verknüpft. Meistens kommen mehrere Risikofaktoren zusammen, bevor eine Erkrankung tatsächlich ausbricht. Dazu zählen:

  • Genetische Veranlagung: Menschen mit einer familiären Belastung sind anfälliger für Depressionen. Sie führt oft zu erhöhter Sensibilität gegenüber Stress und schwierigen Lebensphasen.
  • Neurobiologische Faktoren: Veränderungen von Botenstoffen im Gehirn können zur Entstehung einer Depression beitragen, ebenso wie hormonelle Schwankungen, chronische Krankheiten und Drogen.
  • Psychosoziale Einflüsse: Anhaltender Stress, belastende Ereignisse, Einsamkeit, Armut, Mobbing und wirtschaftliche Unsicherheit sind typische Auslöser für Depressionen.
  • Psychologische Faktoren: Eigenschaften wie Perfektionismus, ein geringes Selbstwertgefühl oder Schwierigkeiten im Umgang mit Emotionen gelten als mögliche Faktoren.

Wie wirken Gene und Umwelt zusammen?

Die genetische Veranlagung für Depressionen bleibt oft lange unbemerkt und wird erst durch äußere Einflüsse „aktiviert“. Die Veränderung der Gene durch Umweltfaktoren wird auch Epigenetik genannt. Das erklärt, warum sich die psychische Gesundheit zweier Verwandter unterscheiden kann. Wer mit familiärer Belastung aufwächst, erkrankt also nicht zwangsläufig. Das Risiko steigt jedoch, sobald belastende Situationen dazukommen.

Eine Person mit einem höheren genetischen Risiko muss nicht an einer Depression erkranken, wenn sie über ein starkes soziales Umfeld verfügt und Stress nur begrenzt ausgesetzt ist. Umgekehrt können große Stressfaktoren wie der Verlust eines geliebten Menschen, eine Scheidung, eine Kündigung oder ein Trauma bei jemandem mit der Prädisposition eine Depression auslösen. Verschiedene Faktoren, einschließlich der epigenetischen Veränderungen durch die Umwelt, entscheiden letztlich über die Entstehung der Krankheit.

Wie können Betroffene erste Anzeichen einer Depression erkennen?

Die Diagnostik einer Depression erfolgt häufig erst spät, da die Symptome zu Beginn eher unspezifisch sind. Ein Arzt oder eine Ärztin achtet dabei auf seelische und körperliche Veränderungen. Zu den wichtigsten Symptomen gehören:

  • Stimmung: Anhaltende Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und ein Gefühl von Leere
  • Soziales Umfeld: Verlust des Interesses an Aktivitäten und Kontakten
  • Kognitive Fähigkeiten: Schwierigkeiten beim Erinnern und Konzentrieren
  • Schlaf: Probleme beim Einschlafen, häufiges Aufwachen oder mehr Schlaf als üblicherweise
  • Appetit: Verändertes Essverhalten mit Gewichtsänderungen
  • Verhalten: Verlangsamte Bewegungen oder Sprache
  • Unspezifische Symptome: Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden, Muskel- oder Gelenkschmerzen ohne erkennbare Ursache

Oft vernachlässigen die Betroffenen ihre Freunde, Familie oder soziale Aktivitäten und Hobbys, die ihnen zuvor Freude bereitet haben. Hinzu kommen Schwierigkeiten, Aufgaben in der Arbeit, Schule, zu Hause zu bewältigen. Mahlzeiten werden ausgelassen, sie bleiben lange im Bett oder vernachlässigen ihre Körperpflege. Auch der zunehmende Konsum von Alkohol oder Drogen können Verhaltensmuster bei einer Depression sein.

Sind vererbbare Depressionen mit einer Behandlung heilbar?

Depressionen sind zwar vererbbar, lassen sich meist gut behandeln. Eine genetische Veranlagung erschwert die Behandlung zwar nicht, kann aber die Wahl der Therapie beeinflussen. Wenn Sie oder jemand, den Sie kennen, Symptome zeigt, ist es wichtig, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen. Die professionelle Unterstützung kann einen großen Unterschied machen, sodass die Erkrankung sogar je nach Umständen geheilt wird. Wenn Sie Hilfe benötigen, halten Sie sich an diese Schritte:

  • Suchen Sie professionelle Hilfe: Vereinbaren Sie einen Termin bei Ihrem Hausarzt oder einem Psychologen. Neben einer Psychotherapie helfen oft Medikamente wie Antidepressiva, die den Serotoninhaushalt und andere Neurotransmitter im Gehirn regulieren. Ein Aufenthalt in einer Psychiatrie ist dafür oft nicht notwendig.
  • Nutzen Sie Unterstützung: Gespräche mit Freunden oder Familienmitgliedern können dabei helfen, das Gefühl der Isolation zu verringern.
  • Informieren Sie sich über Notfallmaßnahmen: Wenn jemand gefährdet ist, sich selbst zu verletzen, wenden Sie sich sofort an den Rettungsdienst oder eine Krisenhotline. Informationen finden Sie beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
  • Entwickeln Sie gesunde Gewohnheiten: Regelmäßige Bewegung, ein ausreichender und gesunder Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und Achtsamkeit können die Heilung unterstützen, sollten jedoch niemals professionelle Hilfe ersetzen.

Ob Sie selbst eine genetische Veranlagung für Depressionen haben, können Sie mit einem DNA-Test herausfinden.

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